Ich war mir relativ sicher, dass Gransee eine kleine Stadt in Brandenburg ist und ich mich nicht verfahren dürfte. Leider hat mein Navi es am 16.5. nur eins geschafft: Mich zielgenau zur falschen Schule zu leiten. Verzeihen kann ich dem unzuverlässigen Gerät nur, weil die Grundschule Gransee so viele Eingänge an unterschiedlichen Straßen besitzt. Den Postkasten hätte ich nie gefunden! Meine Lesungen fanden jedoch in der nebenan liegenden Oberschule statt, da sich dort die Stadtbibliothek angesiedelt hat und uns für die Veranstaltung einen Raum lieh.
Auf jeden Fall fing der Tag mit einem breiten Schmunzeln an. Ein Junge trug eine Hertha BSC – Schärpe um den Hals und ich fragte, ob er bei der Meisterfeier (am Vortag) gewesen sein Er erzählte mir, dass er im Stadion war, fragte, ob ich auch Hertha mag, ob ich das Spiel gesehen habe, … Zum Schluss drehte er sich zu seinen Freunden um und sagt stolz: „Seht ihr, es gibt doch mehr als nur einen Hertha-Fan!“ 😀
Insgesamt hielt ich drei Lesungen in den fünften und sechsten Klassen. Schätzungsweise hätten 45 Zuhörer in den Raum der Stadtbücherei gepasst, doch waren die Klassen klein; viele Plätze blieben frei. Dadurch, dass die Bücherei häufiger Lesungen für die Grundschule veranstaltet, hatten die Kinder leider nicht so viele Fragen. Andererseits finde ich es lobenswert, wenn Grundschulen Literatur derart fördern. Z.B durch Rezitier- und Vorlesewettbewerbe oder regelmäßigen Autorenlesungen. Auch besuchte wieder ein Reporter der Märkischen Allgemeine Lesung, um über sie im Lokalteil Gransees zu berichten.
Meine Zuhörer stellten sich dennoch als aufmerksam und kreativ heraus. Ihre Berufswünsche waren:
- Kaktusentstacheler – wobei ich den Zweck dahinter noch nicht verstanden habe.
- Maikäferfänger – Der Junge wollte Maikäfer fangen und töten, damit sie nicht der Natur schaden. Ein Mitschüler war pfiffiger. Er wollte die Käfer nur fangen und dann zum Töten woanders hinbringen. So sieht man, wer in frühen Jahren schon die „Drecksarbeit“ von sich schiebt 😉
- Archäologe
- Friseurin
- Pilot, und wenn das nicht klappt: Panzerfahrer
- Moderatorin – ganz gleich ob Fernsehen oder Radio, Hauptsache das Mädchen kann reden
- Fußballstar oder – falls das nicht funktioniert – Koch. Dabei ist mir erst aufgefallen, wie viele Fünftklässler sich wünschen Koch/Köchin zu werden. Ich kann mir diese Entwicklung nicht erklären. Außer dass diese Kinder aufgrund von berufstätigen Eltern deutlich früher kochen lernten und ihren Spaß daran gefunden haben.
Die beste Frage stellte genau dieser Fuballstar/Koch, in dem er fragte, ob ich vergeben sei. Der ganz Raum lachte schallend und ein Mädchen antwortete schnippisch: „Na klar! Siehst du nicht den Ring?“ Da ich im Vergleich zu anderen Lehrern oder Autoren relativ jung bin, hat dies die Schüler noch mehr überrascht. Dazu wurden die Jungs mutiger und fragten mich über Hobbies und dergleichen aus. Dabei bin ich für Zehn- und Elfjährige viel zu alt! 😉
Nach vielen staubtrockenen Wochen stellte sich die Rückfahrt als stürmisch heraus. Ich musste noch nie bei starken Windböen über Landstraßen fahren, welche mein Auto zur Seite drückten. Daher verzeiht mir bitte, dass ich bei dem einsetzenden Starkregen nur noch nach Hause wollte und leider keine Fotos vom historischen Stadtkern existieren …