Wir Frauen sind schon ein seltsames Geschlecht. Alle Jahre wieder, wenn es zur Buchmesse geht (egal ob Leipzig oder Frankfurt) quellen die sozialen Netzwerke, an denen ich mich beteilige, über. „Packe gerade meinen Koffer, was soll ich nur mitnehmen?“ – „Aufhübschen für die Messe“ – „Outfit Nummer 1 steht, es wird bunt“. Wir machen uns die Haare, kaufen neue Kleider oder tauschen uns aus, welche Tasche wohl die praktischste wäre, welche Schuhe am bequemsten.
Dieses Jahr bin ich diesem Verhalten auch verfallen. Schon Wochen vor der Buchmesse habe ich begonnen, im Kopf Outfits zu erstellen, die ich an den Messetagen tragen könnte, abgewogen, was passend und unpassend wäre. Worin ich nicht erfrieren würde, sollte der Winter weiterhin anhalten. Natürlich habe ich mir auch ein neues Kleid geholt, auch wenn ich das Modell schon lange im Auge hatte und nun endlich einen „Grund“ hatte zuzuschlagen. Ebenso habe ich mir eine neue Frisur gegönnt, etwas, das anders aussieht, mir einen neuen Look verpasst. Kupferrote Strähnen sind es geworden und diese kleine Veränderung gibt mir irgendwie ein ganz anderes Gefühl zu mir selbst. Jemand Neues sieht mir aus dem Spiegel entgegen, so finde ich. Aber ich gebe zu, ich wollte so etwas schon lange machen, ich persönlich brauche hin und wieder diese Abwechslung.
Aber warum, so frage ich mich gerade, habe ich es genau jetzt gewagt? Es hätte doch auch im Januar oder zu meinem Geburtstag sein können.
Irgendwie ist eine Buchmesse wie ein großes Fest, das Ereignis der Saison, und jede Besucherin möchte herausgeputzt und hübsch sein. Möchte gesehen werden, bewundert oder einfach nur einen guten Eindruck hinterlassen, wenn man Freunden, Kollegen oder der Leserschaft gegenübertritt. Und jeder kann an den Vorbereitungen teilnehmen, man entscheidet sich nicht mehr allein vorm Schlafzimmerschrank oder in der Umkleidekabine eines Geschäfts. Dank Facebook, Twitter und Co wird diese Entscheidung zur allgemeinen Meinungsumfrage. Wir Frauen wollen vorab schon wissen, ob es gefällt, was man von der Kombination hält, entscheiden uns notfalls um. Wir wollen Feedback, eifern nach Lob – eben dank der Variante, dass wir mit einem Post oder einem hochgeladenen Bild einen Haufen Meinungen genieren und auch einfordern. Denn mal ehrlich, wenn man den neuen Look präsentiert, möchte man doch auch Reaktionen! Und wie schlecht gelaunt ist man, wenn diese ausbleiben oder gar Kritik geäußert wird.
Ich habe mich da nicht anders verhalten. Gleich nach meinem Frisörbesuch habe ich ein paar Fotos gemacht, welche meiner Mutter im fernen NRW geschickt und sie natürlich auf Facebook eingestellt. Das war praktisch selbstverständlich. Im Nachhinein erschreckt es mich. Klar, ich habe die Fotos auch einer Freundin geschickt, mit der ich während des Einwirkens der Farbe geschrieben habe, und sie natürlich das Ergebnis sehen wollte. Aber sie mit der halben Welt (bedenkt man die Verbreitung von Fotos im Internet) teilen? Einfach nur, um Lob zu bekommen und ein paar „Gefällt mir“? Und innerhalb dieses Blogeintrags wollte ich auch ein Foto beifügen, aber nun zögere ich. Denn dann würde ich ja wieder Reaktionen, Kommentare und vermutlich auch Komplimente erwarten, wie schon zuvor bei den sozialen Netzwerken. Aber was macht es aus mir, wenn ich meinen Stil, meine Kleidung und meine Entscheidungen daran festlege, wie andere sie bewerten und was andere davon halten? Bin dann ich noch ich selbst? Oder nur jemand, der sich auf dem Lob anderer aufbaut?
Ich bin niemand, der sich zur Schau stellt oder jedem Trend hinterher läuft. Eitel möchte ich auch nicht auftreten. Bestimmt wie viele andere auch, habe ich meine Zeit gebraucht, meinen Stil zu finden, Kleidung, die zu mir und meinem Leben passt. Gerade deswegen erschreckte es mich umso mehr, dass ich diese „Seht her, sieht das nicht toll aus?“- Haltung angenommen habe, die viele im Internet verfolgen. Für mich, so ist es mir bewusster denn je geworden, sollte zuerst meine eigene Meinung zählen. Was mir gefällt, was ich tragen möchte. Und wenn dies eben türkisfarbene Haare mit grünen Strähnen bedeutet hätte, dann nur, weil ich es so wollte und nicht, weil ich damit Reaktionen und ungläubige Kommentare bei Facebook hervorrufen wollte. Denn gerade in einer Zeit wie der unseren, in der das Internet und die ständige Verbundenheit über soziale Netzwerke enorm geworden ist, kann die Individualität zwischen den Meinungsumfragen und der Erwartungen nach „Gefällt mir“‘s verschwinden. Zwar weiß ich nicht, wie es den vielen anderen Frauen geht, die zurzeit ihre Outfits und Styles für die Messe zusammenbasteln, aber ich möchte mich dieser öffentlichen Präsentation entziehen. Ihr werdet sehen, was ich auf der Messe trage, sollten wir uns begegnen. Sollte es meinem Gegenüber gefallen, dann freut es mich natürlich. Sollte es nicht, egal, ob er es ausspricht oder nicht, so kann ich nur eins sagen: Ich habe es ausgesucht, weil es mir gefällt, ich es als praktisch, bequem und trotzdem für das Event der Buchmesse als ansprechend empfinde. Und darum sollte es doch in erster Linie gehen: der eigene Geschmack und nicht das, was andere von mir eventuell erwarten.