– Als die Welt zum Stillstand kam –
Gabi Neumayer
Beltz & Gelberg
446 Seiten
Weitere Informationen findet ihr auf der Verlagsseite.
Die Autorin: Gabi Neumayer, geb. 1962, lebt in Bergheim bei Köln und ist Autorin, Lektorin und Chefredakteurin des Autorinnennewsletters The Tempest. Sie schreibt vor allem für Kinder – unter anderem Science-Fiction-Geschichten, englische Lernkrimis, Bilderbücher und Sachbücher. Bei Beltz & Gelberg erschienen von ihr der Jugendroman Als die Welt zum Stillstand kam und zuletzt der erste Band der Reihe Undercover City – Der Unsichtbare im Wald. Mehr Infos auf ihrer Homepage: www.bato-schreibt.de (Quelle: Beltz & Gelberg)
Inhalt: „Die Welt im Jahr 2036: Absolute Mobilität ist Realität geworden. Frühstücken auf den Fidschis, arbeiten in Berlin, abends ein Konzert in Tel Aviv, kein Problem. Mithilfe eines weltweiten Tornetzes beamen Menschen sich in Sekunden von einem Ort zum anderen, ebenso Informationen und Ressourcen. Da geschieht plötzlich das Unfassbare: Das Netz bricht zusammen – und damit die gesamte Welt. Die Freunde Celie, Alex und Bernie könnten ein rasantes Leben genießen und sich sehen, wann und wo immer sie wollten. Doch der tragische Tod von Celies Mutter, Erfinderin des Tornetzes, hat einen Schatten auf ihre Freundschaft geworfen. In ihrer Trauer will Celie alles hinter sich lassen. Bis plötzlich die Katastrophe eintritt – das Netz versagt. Wie alle anderen auch sitzen die drei Freunde fest: Alex in Berlin, Celie in Irland, Bernie in der mecklenburgischen Wildnis. Jeden Tag fällt die Welt um sie herum ein Stück mehr auseinander: Städte ohne Strom und Wasser werden zu Todesfallen, Krankheit, Hunger und Gewalt breiten sich aus. Die zivilisierte Welt kollabiert. Celie, Alex und Bernie müssen jeder für sich ums Überleben kämpfen. Und sie müssen einander finden. Denn vielleicht hat der Tod von Celies Mutter etwas mit dem Zusammenbruch des Netzes zu tun …“ (Quelle: Beltz&Gelberg)
Das Cover: Mich hat das Cover schon eine Zeit lang in den Bann gezogen, ich empfand es als sehr passend zum Klappentext. Celie, die Richtung Horizont blickt, hinweg in eine ungewisse Zukunft. Nach dem Lesen spiegelt es Celie und ihre Verbundenheit zum Meer noch ein wenig besser wieder. Andererseits bin ich nach dem Lesen auch enttäuscht. Denn irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass diese Geschichte sich eher um Alex drehte als um Celie, wie das Cover einen erahnen lässt.
Die Konstruktion der Gesellschaft: Sehr gut durchdacht und detailliert dargestellt. Nicht nur anhand des Anhangs habe ich gemerkt, wie viel Recherche in diesem Buch steckt. Die Autorin schildert plausibel, wie die Welt sich mit der Errungenschaft des Beamens verändert, wie abhängig die Menschheit vom Tornetz geworden ist. Durch kleinere Details wie Wörter wie „packy“ (ähnlich verwendet wie „cool“) oder Mo-Pads (Art futuristisches Mobiltelefon/Handheld-Computer) fand ich beim Lesen leicht in die Gegebenheiten dieser Zukunftswelt, da diese von Grund auf gut struktuiert war.
Die Geschichte konzentriert sich jedoch auf den Zusammenbruch. Die Hysterie, die Panik, die Unfähigkeit der Menschen sich zu orientieren, da die Tore sämtliche Fortbewegung übernahmen. Dabei liegt der Fokus hauptsächlich auf einem ungeschönten Untergangsszenario, in dem jeder sich der nächste ist, Kinder niedergetrampelt werden und Morde für Nahrungsmittel oder Akkus passieren.
Sprache: Der Grundton ist sachlich und nüchtern. Dies kommt zwar den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Erklärungen zu Gute, aber die Geschichte wirkte auf mich distanziert und emotionslos. Es kam einfach keine Spannung auf, nicht einmal wenn die Figuren sich inmitten von Kämpfen befanden oder um ihr Leben fürchten mussten. Innerhalb der Erzählung springt die Autorin nicht nur zwischen Celie, Alex und Bernie, sondern auch in eine Vielzahl von anderen Sichten. Dies diente vermutlich der Verdeutlichung, wie allgegenwärtig die Tore im Alltag waren und wie schwerwiegend der Zusammenbruch für die Einzelschicksale waren. Meiner Meinung hätte das nicht bedurft. Durch diese vielen Sprünge und Schauplatzwechsel konnte ich mich nicht in die zentralen Figuren der Geschichte einfühlen, da die Erzählung ja schon wieder an einem anderen Ort schwenken musste. Diese vielen Einschübe waren störend, ich wollte die eigentliche Geschichte lesen und nicht diese vielen kleinen Momentaufnahmen.
Dazu nutzte die Autorin immer wieder verwirrende Rückblenden, durch die manchmal auch doppelt erzählt wurde.
Figuren: Die Hauptfiguren sind Celie, Alex und Bernie. Bernie sitzt zu Beginn seiner Tortechniker-Ausbildung in der mecklenburgischen Wildnis fest, wenn die Tore ausfallen. Alex, angehender Pfleger in Berlin, macht sich auf den Weg Celie, seine große Liebe, zu suchen und stößt dabei auf Bernie. Während Celie in eine Kommune der Mobilen, diejenigen, die den Toren abgeschworen haben, geflüchtet ist. Eigentlich eine vielversprechende Ausgangsposition, aber die Figuren bleiben blass und eindimensional. Bernie, der mir noch am meisten zugesagt hat, steckt in der Rolle des guten Freundes und Technikers fest. Alex ist angetrieben vom Gedanken, Celie zu finden und sich mit ihr auszusöhnen, und so schlimm und verstörend seine Umwelt auch ist, nichts scheint den Frauenschwarm zu beeinflussen oder der Figur eine Entwicklung zu geben. Celie empfand ich sogar streckenweise als nervig und unsympathisch. Bis auf die Einstellung, dass sie nicht auffallen darf, scheint diese Figur kaum etwas anzutreiben, was schade ist. Als Tochter der Tor-Erfinder hätte ich ihr mehr Potenzial zugeschrieben, als wirklich genutzt wurde. Sie blieb bis zum Ende unscheinbar.
Die Konstellation der drei Figuren schien mir wirklich als vielversprechend, doch wurde diese von sehr vielen Nebenfiguren auch überlagert. Ständig tauchten auf den Reisen oder in der Kommune neue Nebenfiguren auf, die an sich zwar gut typisiert waren, aber fast alle nach gefühlten fünf Seiten wieder verschwanden.
Das Ende: Ja, wie löst man eine Geschichte auf, nachdem man die Welt fast hat untergehen lassen? Diese Frage habe ich mir schon in der ersten Hälfte gestellt und gerätselt, was wohl passieren würde, wenn Celie, Alex und Bernie wieder aufeinander trafen (oder zumindest ein Teil von ihnen oder überhaupt – ich will ja nicht spoilern). Das Ende hat mich jedoch nicht überzeugt. Es kam keine Spannung oder ein Höhepunkt auf. Es ist relativ schnell klar, wer Celies Gegenspieler in der Kommune wird, die Aufdeckung seiner Pläne waren weder überraschend noch besonders originell. Auch die Lösung, was hinter den Toren steckte, war im Vergleich zu den komplexen Hintergründen, die sich durch die Geschichte zogen, recht simpel. Ich hatte mir mehr erhofft, als eine durchgängige Stimmung, die vermittelte, dass der Zusammenbruch doch nicht so schlimm war. Dass alles wieder recht bald einen gewissen Grad an Normalität erreichen könnte.
Zusammenfassend: Eine wirklich vielversprechende Idee, deren Potenzial nicht genutzt wurde oder deren Umsetzung gute 200 Seiten fehlten, um die Protagonisten beim Lesen näher zu bringen. Daher vergebe ich 2 Sterne für die Geschichte und einen zusätzlichen für die umfassende Hintergrundszenerie, in die wohl viel Zeit und Energie gesteckt wurde. Insgesamt 3 von 5 möglichen Sternen für „Als die Welt zum Stillstand kam“.