Keith Donohue
367 Seiten
C. Bertelsmann Verlag
Der Autor: Keith Donohue lebt mit seiner Familie in der Nähe von Washington D.C. Er war lange für die nationale Kulturstiftung tätig, bevor er Schriftsteller wurde. Sein erster Roman »Das gestohlene Kind« war ein großer internationaler Erfolg, eine Verfilmung ist in Vorbereitung.
Inhalt: Jack erwacht in einer Juninacht und wundert sich, wie ihm geschieht. Wenn er doch nur wüsste, wie er sich den Kopf blutig gestoßen hat. Doch kommt er kaum zum Nachdenken, denn in einem großen Wirbel tauchen nacheinander acht faszinierende Frauen auf, die Jack für ihr Schicksal verantwortlich machen wollen: sei es die junge Ureinwohnerin, die einen Mann heiratet, der sich in einen Bären verwandeln kann, sei es die Frau aus Salem, die für eine Hexe gehalten wurde. Mythologie, Geschichte und Fantasy sind in diesem phantastischen Roman zu einer großen Reise durch die Zeiten verknüpft.“ (Quelle: Bertelsmann)
Cover & Titel: Schlichter als im englischen Original, aber dennoch passend für den Inhalt, der sich ähnlich wie auf dem Bild in einer Blase, fernab von Realität und Gegenwart abspielt. Dafür finde ich den Titel einfach toll gewählt, jede der acht Frauen erzählt ihre Geschichte, beginnend oder enden im Sommermonat Juni.
Figuren: Jacks Figur beginnt nichtssagend und vielleicht habe ich mir deshalb so schwer getan, mich an ihn zu gewöhnen. Das Buch beginnt mit seinem Sturz im Badezimmer, der Leser sieht Jack also nie in seinem wirklichen Leben agieren, sondern nur in der Traumblase, in der die acht Frauen und Beckett ihn aufsuchen. Er tritt sozusagen in den Hintergrund, lässt sich indirekt charakterisieren, da jede Frau ein Stück seiner Seele widerspiegelt. Die Frauen jedoch sind einmalig. Sei es die junge Indianerin, das Baseballmädchen oder stolze Goldwäscherin. Wild, leidenschaftlich, treu, ehrgeizig. Und obwohl sie nur kurz und epidosenhaft ihre Leben wiedergeben, konnte ich sie beim Lesen greifen. Jedes Schicksal empfand ich mit, Donohue schaffte es trotz der wenigen Worte, die er für die einzelnen Frauen übrig hatte, ihre Geschichte lebhaft zu zeichnen. Danach glaubte ich die Frauen und die Epochen und Jahrzehnte, aus denen sie stammten, zu kennen und zu verstehen, sann einen Moment über ihre traurigen Erlebnisse nach.
Lob & Kritik: Klappe und Cover haben in mir andere Erwartungen geweckt, gerade das Wörtchen „Zeitreise“ hat mich auf eine falsche Fährte gelockt. Deswegen hatte ich auf den ersten hundert Seiten Probleme, in den Text zu finden, eigentlich mag ich keine Episodengeschichten. Weder im Film noch als Buch. Doch Donohue entwickelt mit den Seiten einen solchen Sogeffekt, obwohl die Figuren sich größtenteils in einem Badezimmer aufhalten, ich konnte das Buch nicht zur Seite legen. Ich wollte wissen, was sich hinter den anderen Frauen verbirgt, was mit Jack geschehen ist. Die Sprache war so unglaublich flüssig! Verschachtelt, wunderlich, poetisch, aber klug und stilistisch sehr gut verfasst. Auf kleinsten Raum ballen sich die Lasten vieler Leben, Leid, Traurigkeit, Freude, Hoffnung, Liebe, doch wirkt es nicht gestellt oder erzwungen. Im Gegenteil die Erzählungen sind von Weisheit und Intelligenz geprägt, sowie einer guten Prise absurden Humors. Und gerade diese Absurditäten, Magie, übergroße Eisbälle, Gold waschen in der Badewanne, diese phantastischen Raum-Zeit-Verzerrungen machen „Sommernachtsfrauen“ aus, es ist nicht immer von Spannung geprägt, aber beim Lesen konnte ich mir nie sicher sein, was als nächstes passiert. Was die Figuren neben Coktails noch aus dem Medizinschränkchen fischen. Dieses Buch zu lesen, ist wie einen Dali auseinander zu nehmen.
Wenn man das Buch zuklappt, hat man nicht das Gefühl, es sei zu Ende. So wie Jack beginnt eine neue Runde, ein neuer Abschnitt und das fand ich erstaunlich: dieses Buch hat mich mit einer neuen Sichtweise zurückgelassen.
Besonders gefallen haben mir außerdem die Symbole, die sich quer über die Seiten verstecken. Die Anspielungen auf Beckett und sein Stück „Warten auf Godot“ oder die sprechende Katze Harpo.
Zusammenfassend: Kuiros. Surreal. Magisch. Eines der seltsamsten Bücher, das ich seit Langem gelesen habe. Wie ein Traum im Traum, eigentlich passiert nichts und gleichzeitig passiert zwischen den Zeilen unglaublich viel. Man sagt ja, im Moment des Todes zieht das Leben an einem vorbei, Donohue nimmt es wörtlicher, Jack begegnet den Frauen aus seinen vorherigen Leben. Erzählt Geschichten aus dem Alltäglichen, von den Wundern und den Irrtümern des Lebens geprägt. Es ist ein leises Buch, aber nichtsdetotrotz phantastisch. Daher vergebe ich für „Sommernachtsfrauen“ 4 von 5 möglichen Sternen und bedanke mich abschließend für das Rezensionsexemplar.