Meine Reise nach Hamburg versetzte mich in einen Drei-Generationen-Konflikt, der mir wieder einmal zeigte, wie schnell die Zeit verfliegt und wie viel, viel schneller die Welt sich wandelt. Aber vielleicht sollte ich am Anfang beginnen; das wäre doch was:
Ja, ich weiß, meine derzeitige Frisur macht mich jünger; unbeabsichtigt. Ja, ich weiß, mein Pressefoto ist jetzt gut ein Jahr alt, und damals trug ich nicht meine Brille. Aber das alles ist kein Grund dafür, was mir am Dienstagmorgen des 19. Aprils geschehen ist. Mein Taxifahrer, der mich zum Hauptbahnhof bringen sollte, fragte mich doch glatt: „Kommen deine Eltern noch mit? Oder reist du alleine?“
HALLO?! Ich bin einundzwanzig … 🙁
Das war auch meine Antwort, relativ gereizt sogar. Noch während ich meinen Koffer ins Auto hievte, stand eins fest, ich werde meine Haare wieder wachsen lassen. Lang. Ganz lang! Den Frust bekämpft habe ich dann durch einen extragroßen Becher Kaffee am Bahnhof, während eine verrauschte Stimme irgendetwas über die Lautsprecher verkündete. Ich nahm mir vor, die Dinge positiv zu sehen. Dank zwei Päckchen Zucker war ich wach und aufnahmebereit und trotz der Streiks der Privatbahnen hatte mein ICE keine Verspätung.
Doch wie sollte es auch anders sein, bin ich am falschen Ende meines Abteils eingestiegen und musste mich mit meinem Rollkoffer durch die Menge der Mitreisenden kämpfen. Mittlerweile kenne ich eine simple Regel: Kleiner Koffer hat vor Kofferlosen Vorfahrt, kleiner Koffer steckt wiederum vor großem zurück. Die ganze Reise lang war ein Unikum. Oder ich einfach die Einzige in meinem Abteil, deren Augen nicht an Laptop, IPad und Co klebten. Dank wichtiger Emails, Zeitunglesen am IPad und dergleichen achtete niemand auf die Umgebung und so fiel nur mir auf, dass aus der Tasche eines Zugestiegenen gleich das Portemonnaie herausfiel. „Sie haben ja eine scharfe Beobachtungsgabe“, sagte dann zwar mein Sitznachbar, doch alle Blicke richteten sich wieder auf die elektronischen Geräte. Der Mann mit der offenen Tasche hat sich nicht mal bedankt.
Dazu – oh mein Gott – las ich ein Buch. Gebunden und mit Seiten versteht sich, kein E-Book. 😉
In Hamburg scheint es keine Hamburger mehr zu geben. Ich habe versucht, mich nach einem Ticketautomaten durchzufragen und nach der Haltebucht meines Busses. Ich traf auf die halbe Republik, aber auf keinen Hamburger – zum Glück gibt es noch DB – Angestellte. Die Leute der GDL, die sich für ihren Streik versammelten, habe ich lieber in Ruhe gelassen. Aber selbst in Hamburg Rahlstedt – meinem Zielort – ist Ortskenntnis ein Fremdwort. Ein Spaziergänger mit seinem Hund, der anhand des Jogginganzugs dort irgendwo leben sollte – wusste nicht einmal, dass in der Nähe eine Grundschule war.
Die Grundschule lag aber auch gut versteckt am Ende einer Sackgasse; halb verschluckt von einem Wäldchen. Sie teilte sich in mehrere Gebäude auf, sodass sie mir noch weniger auffiel. Ich war erstaunt, wie viele Schüler sich draußen während der Hofpause versammelten und wie groß diese waren! Jedoch klärte man mich schnell auf, dass man gerade Haupt- und Gesamtschulklassen Unterschlupf gewährt. Alles andere hätte mich auch wirklich schockiert.
In der letzten Woche vor den Osterferien veranstalteten die Klassen eine Projektwoche zum Thema „Buch“. Dabei sollten die Schüler ihr Lieblingsbuch vorstellen, Bücher rezensieren, vorlesen … Autoren besuchten für je einen Tag eine Klassenstufe; mir wurden die vierten Klassen zugeteilt.
Zwar wusste ich von einer Klassenlehrerin, dass ihre Schüler sich mein Buch gekauft hatten, dennoch überraschte mich der Anblick von den vielen Timmys, die auf jedem Tisch lagen. Noch mehr überraschten mich jedoch die Lesezeichen, die alle schon in der zweiten Hälfte des Buches steckten. Ich fragte die Klasse, ob sie schon die ersten 50 Seiten gelesen hatten – alle Arme gingen nach oben. Die ersten 100? Nur wenige Hände senkten sich. Über 200 Seiten? Da zeigte niemand mehr auf.
Aber könnt ihr euch vorstellen, wie dieses Gefühl war? Unglaublich, ja. Ziemlich überwältigend sogar. Besonders wenn man eine Seite vorliest, umblättert und dann die Klasse ebenso umblättert. 😀
Außerdem wirft es einem die Pläne durcheinander, wenn ich für die Buchvorstellung nur Szenen aus den ersten 70 Seiten vorbereitet habe. Aber es rettete mich die Tatsache, dass die Kinder so viel mehr Fragen zum Buch hatten und ich so ihnen die Möglichkeit geben konnte, direkt über die Geschichte zu sprechen, die sie gerade lesen.
Jene Klasse machte mir auch noch ein besonderes Geschenk. Ich bekam einen ganzen Klassensatz von Bildern. Gemalt hatten die Kinder das Wappen von Onnipolis oder wie sie es sich vorstellen. Ich sollte aussuchen, welches Bild am ehesten meiner Vorstellung entsprach.
Die beiden darauffolgenden Klassen waren relativ „unbelastet“ und ließen sich von den ersten Kapiteln Timmys mitreißen. Deswegen gab es in bei ihnen aber umsomehr Fragen übers Schreiben und auch wie Bücher entstehen.
Die Berufswünsche, die dieses Mal herausragten, waren:
- Modedesignerin oder genauer: die nächste „Heidi Klum“
- Flugzeugbauer
- Yedi & Sith Lord (sehr viele Star Wars Fans :D)
- Autorin
- Yachthafenbesitzer
- Tierarzt – Endlich mal ein Junge!
Die vielen Traumberufe verschwimmen in meiner Erinnerung, es tut mir leid. Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass mein Gedächtnis dank meiner Erkältung gelitten hat. Während des Schultages hatte ich meine Konzentration auf 120%, aber sobald ich das Gelände verlassen hatte, verschwand sie ins Bodenlose. Typisch Schulalltag halt …
Zum Abschluss baten mich ein paar Mädchen, ihre Geschichten zu lesen und zu bewerten. Ich tue mich immer schwer, Geschichten von Kindern zu bewerten, da ich dabei nicht den Standard ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ anwenden möchte. Es ist bewundernswert sich mit zehn oder elf Jahren Geschichten über ein Mädchen auszudenken, die von Schattenmännern verfolgt werden oder durch einen zerbrochenen Spiegel in eine fremde Dimension gezogen werden. Ich habe mir alle Mühe gegeben, die Mädchen zu ermutigen und sie sacht darauf hingewiesen, dass Anführungszeichen beim Dialog helfen. 😉 Sie waren auf jeden Fall ganz begeistert, als ich von meinem Verlag und meinen jungen Autorenkollegen erzählte. (Der Jüngste ist zehn.)
Trotz des Zwischenfalls mit dem Taxifahrer habe ich mich am gleichen schrecklich alt gefühlt. Ein Junge, berichtete mir stolz er habe einen DS mit ganz vielen Spielen. Ich überlegte … DS, DS, DS?
„Ach, du meinst einen Gameboy?“, fragte ich und erinnerte mich an meinen alten Gameboy Color und den Nintendo DS von Dominic.
Der Junge sah mich jedoch fragend an und antwortete: „Was ist denn ein Gameboy?“
Tja … Ich werde alt. Ich habe mich früher riesig über meinen Gameboy mit Farbdisplay gefreut. 😉
Über den Rest lässt sich nicht viel berichten. Ich habe mich über meinen neuen Blumenstrauß gefreut, sowie meinen Abstecher nach Hamburg. Leider hat die Deutsche Bahn es nicht zugelassen, dass ich mir noch etwas von der Stadt ansehe, denn meine RB verspätete sich derart, dass ich zum Gleis meines ICEs flitzen durfte. So viel zu die Streiks der Privatbahnen würden den Bahnverkehr nicht beeinflussen ….